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Das Kino der Attraktionen (Filmgeschichte)
Tom Gunning (*1949) beschreibt in seinem bekannten Aufsatz „Das Kino der Attraktionen“ (1986) die Besonderheiten des frühen Films, dessen Ursprünge auf Rummelplätzen und in Wanderkinos des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zu finden sind.
Bitte lesen Sie den folgenden Auszug und beantworten Sie die unten stehenden Fragen.
„Die Geschichte des frühen Kinos, wie auch die des Kinos ganz allgemein, ist unter der Hegemonie des narrativen Films geschrieben und theoretisch erörtert worden. Frühe Filmemacher wie [...] Georges Méliès und Edwin S. Porter sind vor allem im Lichte ihres Beitrags zum Film als erzählerisches Medium, vor allem zur Entwicklung des narrativen Schnitts, untersucht worden. Auch wenn solche Ansätze nicht völlig fehlgehen, sind sie doch einseitig und verzerren möglicherweise sowohl den Blick auf die Arbeit dieser Filmemacher als auch auf die wahren Kräfte, die das Kino vor 1906 geformt haben. [...]
Die Tradition der Gebrüder Lumière, mit Hilfe von Reisefilmen und Aktualitäten dem Publikum „die weite Welt nahezubringen“, verschwand keineswegs mit dem Cinematographen aus der Filmproduktion. Doch selbst innerhalb des nichtaktuellen Films - dessen, was bisweilen als die "Méliès-Tradition" bezeichnet wird - ist die Funktion des Erzählerischen eine ganz andere als im klassischen narrativen Film. Méliès selbst stellte bei einer Erörterung seiner Arbeitsmethode fest: "Um das Szenario [...] habe ich mich am allerwenigsten gekümmert [...] weil ich es ausschließlich als ,Vorwand' für die ,Mise en scene', die ,Trickeffekte' und für spektakuläre ,Tableaus' verwenden wollte." [...]
Ich glaube, daß die Beziehung zum Zuschauer, die Lumière und Méliès-Filme (und viele andere Produktionen vor 1906) herstellten, eine gemeinsame Basis besaß – und zwar eine, die sich von dem primär am Zuschauer orientierten Verhältnis im narrativen Film nach 1906 deutlich unterscheidet. Ich möchte dieses frühere filmische Konzept als „Kino der Attraktionen“ bezeichnen. [...] Tatsächlich verschwindet das Kino der Attraktionen ja auch nicht mit der Dominanz des Narrativen [...].
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß das Kino der Attraktionen die Aufmerksamkeit des Zuschauers auf sehr direkte Weise fordert, indem es die visuelle Neugier erweckt und vermittels eines aufregenden Spektakels Vergnügen bereitet - eines einmaligen Ereignisses, egal ob fiktiv oder dokumentarisch, das für sich interessant ist. Die gezeigte Attraktion kann auch filmischer Natur sein, so wie die [...] frühen Nahaufnahmen oder Tricks, bei denen eine kinematische Manipulation (Zeitlupe, Rückwärtslauf, das Ersetzen von Bildern, Mehrfachbelichtung) das Reizvolle und Neue ausmacht. [...]
Ein Film wie Porters The Great Train Robbery (1903) weist durchaus in beide Richtungen: einerseits die direkte Attacke auf den Zuschauer (der spektakulär vergrößerte Verbrecher, der seine Pistole mitten in unsere Gesichter abfeuert), andererseits eine lineare narrative Kontinuität. So zeigt sich das ambivalente Vermächtnis des frühen Kinos. Und in gewissem Sinne hat das moderne Spektakel-Kino – nennen wir es einmal Spielbergs/Lucas‘/Coppolas Kino der Effekte – eindeutig seine Wurzeln auf dem Rummelplatz und der Achterbahn.“
Literatur: Tom Gunning: „Das Kino der Attraktionen. Das frühe Kino, seine Zuschauer und die Avantgarde“, in: Meteor, No. 4, 1996 [O. 1986], S.25-34, hier S.26-34
Tom Gunning schlägt in seinem Aufsatz eine filmgeschichtliche Neubewertung des frühen Kinos vor. Dabei fragt er nach dem Verhältnis von einem erzählerischen, narrativen Film und einem auf Schau- und Attraktionswerten basierenden Kino.
In der filmhistorischen Forschung wurde die Etablierung ortsfester Kinos um 1906 mit einer Weiterentwicklung von filmischen Erzählweisen in Verbindung gebracht und als Zäsur im Verhältnis zu den Wandervorstellungen, etwa jene der Gebrüder Lumière, beschrieben. Die berühmten französischen Filmpioniere führten ab 1895 ihre Erfindung, den Cinematographen, ein filmisches Aufnahme- und Wiedergabegerät von Bewegtbildern als technische Sensation in verschiedenen Salons vor. Gunning stellt nun die oben beschriebene Zäsur in Frage. Dafür führt er etwa den frühen Filmemacher Georges Méliès an, dem es in seiner Arbeit wichtiger war, sich auf phantasievolle Trickeffekte und ein spektakuläres Bildarrangement (mise-en-scène) zu konzentrieren, als auf die Verfilmung eines auf einer Handlung basierenden Drehbuchs (Szenario).
Tom Gunnings Ansatz des „Kinos der Attraktionen“ zielt auf eine Filmgeschichtsschreibung ab, die auf die Entwicklung einer narrativen Kontinuität der filmischen Erzählweise hinausläuft.
Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen sieht Tom Gunning die Etablierung von filmischen Techniken, wie den kontinuierlichen Schnitt, der die ,Erzählung‘ einer zusammenhängenden Handlung ermöglichte, nicht als das zwangsläufige Ergebnis einer zielgerichteten Entwicklung an. Der alleinige Bezug einen auf Narration basierenden Film greift für Gunning bei einer filmhistorischen Einordnung, insbesondere des frühen Kinos, zu kurz. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Film nicht isoliert von seiner ursprünglichen Aufführungssituation betrachtet werden dürfe. Berücksichtigt man dies, wird die Herkunft des Kinos von Vaudeville und Jahrmärkten deutlich. Dort ging es vor allem um die Darbietung einzelner Nummern, die für sich genommen einen eigenen Attraktionswert besaßen. Gunning unterstreicht, dass das Kino, auch lange nach Einführung narrativer Erzähltechniken, auf diese frühen Formen der Unterhaltung weiterhin aufbaut.
Das „Kino der Attraktionen“ schließt den narrativen Film aus.
Gunning zufolge schließen sich eine narrative Erzählweise und ein auf Attraktionswerte abzielendes Kino nicht gegenseitig aus. Beide Aspekte filmischer Modi können auch in ein und demselben Film, bzw. in ein und derselben Filmvorführung existieren.
Anhand des Attraktions-Begriffs lässt sich eine eindeutige Unterscheidung von dokumentarischen und fiktiven Filmen vornehmen.
Die im Alltag geläufige Unterscheidung von Dokument und Fiktion hat für Gunnings Definition des „Kinos der Attraktionen“ keine Bedeutung. Sowohl dokumentarische Filme, als auch Filme, die auf einer fiktiven Handlung basieren, können unter dem Begriff des „Kinos der Attraktionen“ subsumiert werden.
Das frühe Kino im Sinne Gunnings, so wie er es als „Kino der Attraktionen“ beschreibt, hätte auch noch etwas mit dem heutigen Spektakelkino (3D, IMAX) gemein.
Gunnings Aufsatz wurde erstmals 1986 veröffentlicht. Auch wenn er sich damals nicht auf den Erfolg von 3D-Filmen der letzten Jahre beziehen konnte, ermöglicht seins Perspektive auf die Blockbusterfilme der 1980er Jahre (wie Star Wars und Indiana Jones) das Konzept des „Kinos der Attraktionen“ auch auf unsere heutige Situation zu übertragen. Diese Filme, wie auch aktuellere Beispiele des Blockbusterkinos zeugen von filmischen Strategien, die den Zuschauer durch Mittel der Attraktionen in besondere Weise adressieren.
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