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Filmhistoriografie (Filmgeschichte)
Bitte lesen Sie im Folgenden einen Auszug aus dem Text „American Cinema: History, Industry an Interpretation“ von John Belton (*1945), der im Jahr 2000 erschienen ist. Darin skizziert der Filmhistoriker Belton Entwicklungen der filmhistorischen Forschung. Der Auszug konzentriert sich auf ein Paradigma, das als ,Historiographie des Films‘ („film historiography“) bekannt ist.
Bitte beantworten Sie nach dem Lesen des Textes die anschließenden Fragen.
„Robert Allen and Douglas Gomery's book „Film History“ (1985) has proved to be one of the seminal texts in the shaping of contemporary film historiography. [...]
For Allen and Gomery, aesthetic film history can be understood as the history of film masterpieces which had been created by the individual genius of a director, writer, producer, or star. It involves the study of the cinema as an art form and of filmmakers as individual artists whose visions determine the thematic and aesthetic significance of their films. Allen and Gomery note several problems with this approach. In celebrating the cinema as an art form, historians tended to neglect other aspects of the cinema, such as its identity as an economic, technological, and/or cultural product. [...]
In response to the limited nature of the explanation of historical events found in [...] the masterpiece tradition, Allen and Gomery propose that historians consider instead a network of causal elements that determine events. [...] History is the result of specific modes of production, determined by various economic, technological, and ideological demands. [...] The masterpiece tradition relied extensively on the critical evaluation of films, on the analysis of visual style, and on the identification of authorial vision. In their discussion of Sunrise (1927), Allen and Gomery barely mention the film itself, concentrating instead on the film‘s ,background‘. They explore director F.W. Murnau‘s ,biographical legend‘, producer William Fox‘s interest in Murnau and the film in terms of his promotional strategies for elevating the status of his studio, and various public discourses surrounding Murnau and the production and reception of the film. Thus the historical significance of Sunrise is seen to reside not so much in its aesthetic qualities as in its exemplary status as a product of a complex background set of various economic, technological, and social forces.“
Literatur: John Belton: American Cinema and Film History. In: John Hill, Pamela Church Gibson: American Cinema and Hollywood. Critical Approaches. New York. 2000, S.1-11
In ihren Untersuchungen bemühen sich Filmhistoriker wie Douglas Gomery und Robert Allen, eine ,Historiographie des Films‘ zu erarbeiten. Da sich diese Autoren bewusst von anderen Ansätzen filmhistorischer Arbeit abgrenzen möchten, wird deren Vorgehen auch als ,revisionistische‘ Filmgeschichtsschreibung bezeichnet. So geht es ihnen unter anderem darum, die Funktion von Filmschaffenden als ,Autoren‘ von Werken zu hinterfragen und eine Filmkanonbildung nach eigenen Erkenntnissen neu zu gestalten. Im Zentrum ihres Ansatzes steht die Annahme, dass der Film nicht für sich allein stehen kann, wenn er als historischer Untersuchungsgegenstand aufgefasst werden soll. So werden in Arbeiten zur ,Historiographie des Films‘ Anzeigen in der Fachpresse, Firmenunterlagen, Verträge, Gerichtsurteile und weitere Dokumente konsultiert, um eine Produktionsgeschichte zu rekonstruieren und den Film in seiner ökonomischen und gesellschaftlichen Relevanz abzubilden. Neben der ,harten Linie‘ revisionistischer Filmgeschichtsschreibung, die u.a. Allen und Gomery vertreten wird, bei der der Film als Gegenstand verschwindet und dessen ästhetische Kategorien ausgeblendet werden, gibt es auch Filmwissenschaftler, die filmhistoriographische Ansätze verfolgen und dabei ästhetische, ökonomische und technologische Aspekte miteinander gekoppelt berücksichtigen möchten. Zu Ihnen zählen u.a. David Bordwell und Kristin Thompson, die gemeinsam Film Art und zusammen mit Janet Staiger The Classical Hollywood Cinema veröffentlicht haben.
Literatur
- Zur Bandbreite der teils kontrovers diskutierten filmhistoriographischen Ansätze s. Britta Hartmann und Hans J. Wulff: Vom Spezifischen des Films Neoformalismus - Kognitivismus - Historische Poetik. In: montage/av 4/1/1995. S. 5-22.
- David Bordwell, Kristin Thompson: Film Art. An Introduction, 8th Edition. New York. 2008
- David Bordwell, Janet Staiger, Kristin Thompson: The Classical Hollywood Cinema: Film Style & Mode of Production to 1960. London. 1988.
Welche filmhistorischen Fragestellungen verfolgen die Autoren Gomery und Allen?
Anhand der Untersuchung von ökonomischen, verleihstrategischen und produktionsgeschichtlichen Aspekten von Filmen versuchen Gomery und Allen einen „mode of production“ zu extrapolieren, der auch für ein größeres Korpus an zeitgenössischen Produktionen repräsentativ ist. Auch die Rezeptionsgeschichte spielt eine wichtige Rolle. Gemeint damit ist, wie ein Film in der Presse und von anderen Stellen aufgenommen und ,rezipiert‘ wurde. So kann es auch möglich sein, einen öffentlich geführten Diskurs zu rekonstruieren. Dabei ist es für die Autoren die Ästhetik des Films unerheblich. Solche Positionen revisionistischer Filmgeschichtsschreibung werden auch innerhalb des historiographischen Ansatzes kontrovers diskutiert.
Welche Faktoren spielen bei Allen und Gomery eine Rolle?
Obwohl es für die Autoren Allen und Gomery keine Bedeutung hat, was der Regisseur für eine künstlerische Vision verfolgte, kann die Biografie der an dem Film beteiligten Personen durchaus Aufschluss über die Produktionsbedingungen geben. Auch verleihstrategische Entscheidungen und weitere, etwa die Auswertung des Films betreffende Faktoren, lassen sich aus Mitteilungen von Personen (oft Studio-Memos) entnehmen. Somit stellen auch Dokumente, die nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen waren und meist im Kontext der Filmwirtschaft entstanden sind, eine wichtige Rolle für eine historiografische Aufarbeitung der Bedingungen der Produktion dar.
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