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Englische Philologie (B.A.)

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London im 19. Jahrhundert (Cultural Studies)

Als Hauptstadt des British Empire und größte Stadt der Welt ist London im 19. Jahrhundert Gegenstand und Schauplatz politischer Auseinandersetzungen, sozialreformerischer Aktivitäten und künstlerischer Darstellung. Die Bevölkerung nimmt rapide zu, hat London zu Beginn des Jahrhunderts ca. eine Million EinwohnerInnen, sind es bereits 6,7 Millionen um 1900. Der Reichtum der Stadt kann die massiven sozialen Probleme nicht verdecken, die Industrialisierung und Urbanisierung mit sich bringen: Armut, Obdachlosigkeit, Umweltverschmutzung, Epidemien, Kriminalität etc. Die Beispielaufgaben konzentrieren sich auf solche Probleme und Widersprüche im viktorianischen London.

 

Lesen Sie die Texte der folgenden Teilaufgaben durch und überlegen Sie, welche der Zusammenfassungen jeweils am zutreffendsten ist. Sie erreichen die nächste Teilaufgabe über den "Weiter"-Button.

Text Nr. 1

“Standing on the central elevation of the top of St. Paul’s, there are other thoughts that would crowd on the mind of the moralist. He would think of the great difference there is in the moral and social condition of the vast assemblage of people resting within the space which his eye could so easily take in. In one place, he would see the abode of abounding affluence, splendour and luxury; in another, the habitation of poverty, destitution and wretchedness, in all their most afflicting forms. That is a house which is the seat of all that is virtuous under heaven; this is inhabited by persons who are capable of every crime which man can commit, and whose lives have uniformly exhibited the most determined opposition to the laws of the supreme Being and the interest of society. (aus: James Grant, The Great Metropolis, 1837)

Welche der folgenden Zusammenfassungen gibt am besten den Inhalt des Textausschnitts wieder?

James Grant (1827-88) war ein schottisches Schriftsteller; seine Beschreibung der sozialen Gegensätze in London ist typisch für die Auseinandersetzung mit der englischen Metropole in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Reichtum und Wohlstand wurden gefeiert, aber man war besorgt über die tiefen Gräben zwischen Arm und Reich und ihre potentiellen gesellschaftlichen Folgen. Armut war in den Augen der Sozialreformer mehr als ein soziales Problem; es wurde vielfach als Folge unmoralischer und krimineller Lebensweise gesehen. Man glaubte, dass nur eine moralische Reform der Gesellschaft solche Konflikte lösen könne. Der (imaginierte) Blick von der Kuppel der St.-Paul’s-Kathedrale suggeriert absolute Sichtbarkeit, es ist der Blick einer gottähnlichen Instanz, der nichts verborgen bleibt.

Text Nr. 2

“A heap of dung and refuse of every description, about the size of a pretty large house, lies piled to the left of the yard; to the right, is an artificial pond, into which the contents of cesspools are thrown. The contents are allowed to desiccate in the open air; and they are frequently stirred for that purpose. The odour which was given off when the contents were raked up, to give me an assurance that there was nothing so very bad in the alleged nuisance, drove me from the place with utmost speed I was master of. [...] To the right in this yard, was a large accumulation of blood, ashes, and nitric acid, which gave out the most horrid, offensive, and disgusting concentration of putrescent odours it has ever been my lot to be the victim of.” (aus: Hector Gavin, Sanitary Ramblings, 1848)

Was beschreibt Hector Gavin in diesem Textabschnitt?

Hector Gavin (1815–55), einer der wichtigsten Vertreter des so genannten Sanitary Movement, das sich für die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse insbesondere in den Slums von London einsetzte, gibt hier einen sehr eindrücklichen Bericht von den Bergen von Müll und Fäkalien in den Armenvierteln der Metropole. Die detailreiche Schilderung beschreibt nicht nur, wie angeekelt Gavin von der Szene war, sondern will denselben Ekel bei den (bürgerlichen) Lesern und Leserinnen erregen, um sie zur Unterstützung der Reformbestrebungen zu bewegen.

Text Nr. 3

“While brooding over the awful presentation of life as it exists in the vast African forest, it seemed to me only too vivid a picture of many parts of our own land. As there is a darkest Africa is there not also a darkest England? Civilisation, which can breed its own barbarians, does it not also breed its own pygmies? May we not find a parallel at our own doors, and discover within a stone’s throw of our cathedrals and palaces similar horrors to those which Stanley has found existing in the great Equatorial forest?” (aus: William Booth, In Darkest England and the Way Out, 1890)

Was kann man aus dem obigen Text schlussfolgern?

William Booth (1829-1912), der Gründer der Heilsarmee, nimmt den 1890 veröffentlichten Expeditionsbericht von Henry Morton Stanley, In Darkest Africa, als Modell, um über die ‚Barbarei‘ in London zu schreiben. Die ‚Barbaren‘, von denen er hier spricht, sind die Armen Londons, die in fürchterlichem Elend leben, körperlich unterentwickelt sind, zudem ungebildet und unzivilisiert. Auf diese Weise wird zum einen ein rassistischer Blick auf die arme Bevölkerung geworfen, zum anderen wird nahegelegt, dass das Interesse Großbritanniens sich weniger auf die Ausweitung des Empire konzentrieren sollte denn auf die Lösung der drängenden sozialen Probleme vor der eigenen Haustür. Booth ging es weniger um soziale Gleichberechtigung als um das Seelenheil der Armen.

Abbildung

aus: Punch, 3. Mai 1884, Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg - [CC-BY-SA 3.0 DE]

Welche der folgenden Interprationen des Cartoons ist zutreffend?

Das „slumming“ entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zu einer beliebten Form des Tourismus, insbesondere in London. Unter dem Vorwand, karitativ tätig werden zu wollen, machten die bürgerlichen Besucher und vor allem auch Besucherinnen die Armen zu Objekten ihres Voyeurismus. Der Cartoon aus der Satirezeitschrift Punch zeigt, dass solche Praktiken bereits in den 1880er Jahren als ethisches Problem diskutiert wurden. Die Bezeichnung des Pastors als „masher“ (ein Dandy; ein Mann, der andere sexuell belästigt) hinterfragt seine vorgebliche moralische Autorität und legt nahe, dass er eigentlich auf illegitime sexuelle Abenteuer aus ist. -- Slum Tourismus (insbesondere in die Elendsviertel von Afrika, Asien oder Lateinamerika) ist übrigens heute weit verbreiteter als im 19. Jahrhundert.