Aktuelle Debatten der Brasilienforschung (Profil C)

Aufgrund der fragmentierten Parteienlandschaft muss das brasilianische Staatsoberhaupt um die parlamentarische Mehrheit kämpfen, da eine einzige Partei in aller Regel nicht in der Lage ist, die zum Regierungshandeln notwendige parlamentarische Mehrheit zu stellen. Das bedeutet, dass der Präsident, ungeachtet welcher Partei er angehört, auf breite Koalitionen setzen muss.

Der Koalitionspräsidentialismus schafft eine Grauzone im Verhältnis zwischen der Regierung und den Parteien: Da Verhandlungen nicht öffentlich geführt werden (können), entsteht in der brasilianischen Gesellschaft bzw. Öffentlichkeit der Eindruck, dass dabei nicht nur legale, sondern auch rechtswidrige Zugeständnisse (private Bevorzugung Einzelner bzw. Günstlingswirtschaft, sachlich unbegründete Staatsinvestitionen usw.) ausgehandelt werden.

Der direkt gewählte brasilianische Präsident steht der Exekutive vor und ist damit gleichzeitig Staats- und Regierungschef. Er leitet die Verwaltung auf Bundesebene und ist befugt, sein Kabinett selbst zu ernennen sowie es beliebig umzubilden. Er darf darüber hinaus den Vorschlag unterbreiten, Ministerien zu streichen oder neue zu schaffen. Der Koalitionspräsidentialismus zwingt das mächtige Staatsoberhaupt eng mit der Legislative zu kooperieren und dient als Kontrolle für die Ausübung seiner weitreichenden Befugnisse.

Die Regierung bzw. die Regierungspartei erkauft sich die Unterstützung der Parlamentarier mit Posten in Ministerien und in der Verwaltung, aber auch mit (nicht immer legalen) Geldüberweisungen. Auf diese Weise wird aber die Korruption zu einem Strukturelement des Regierungsgeschäfts.

Neben dem karibischen Raum bietet sich vor allem Brasilien für eine Untersuchung des afroamerikanischen Erbes an. Das Studium traditioneller und neuartiger Formen des kulturellen, religiösen und gesellschaftlichen Zusammenlebens kann innovative Erkenntnisse bieten.

Im fußballbegeisterten Brasilien lässt sich aktuell die Entstehung neuer Zugehörigkeitsräume im Kontext von Migration und Sport beobachten. Insbesondere die Rolle peruanischer und bolivianischer Migrant*innen und deren Partizipation in Amateurfußballvereinen offenbaren neue Einblicke in gesellschaftliche und geschlechterspezifische Aushandlungsfelder.

Der Transfer des Königshofes von Lissabon nach Rio de Janeiro kehrte 1808 die Verhältnisse zwischen Metropole und Kolonie um. Dieses Ereignis ist weltweit einzigartig und erlaubt Einblicke in neue Formen der Regierung.

Die Energiepolitik Brasiliens basiert mehrheitlich auf erneuerbaren Energiequellen wie Wasserkraft, Biokraftstoff und, in geringerem Ausmaß, Solarenergie. In den letzten Jahren wurden viele große Infrastrukturprojekte im Bereich Energie in Gang gesetzt, die aber hohe negative Auswirkungen auf die Umwelt und auf die Bevölkerung, unter ihnen indigene Bevölkerungen, hatten. Trotz sozialer Widerstände, zum Beispiel im Fall Belo Monte, hat die Regierung das Projekt durchgezogen.

Obwohl Brasilien eine zunehmend wichtige Rolle in den internationalen Klimaverhandlungen spielt und freiwillige Angebote zur Reduzierung der Entwaldung im Amazonasgebiet gemacht hat, hat sich sein Wirtschaftsmodell im 21. Jahrhundert mehr und mehr auf Rohstoffextraktion und Landwirtschaft konzentriert, unter ihnen der Anbau von Soja, welcher die Biom Cerrado – die brasilianische Savannah – fast halbiert hat.

An der Landpolitik lassen sich die Grenze der Umverteilungspolitik in Brasilien im 21. Jahrhundert besonders erkennen: Denn während sich die urbane und ländliche Armut stark reduziert haben, hat die Einkommensungleichheit kaum abgenommen und die Landkonzentration, eine der größten in der Welt, hat sich verschlechtert. Nun produzieren die Großgrundbesitzer vor allem für den Export und vielmals unbeachtet der Umweltauflagen.

Die Bewegung „Passe Livre“ gegen die Erhöhung der Fahrpreise der öffentlichen Verkehrsmittel

Die Landlosen-Bewegung, wegen der langsamen Durchführung der Agrarreform

Die Frauenbewegung für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch

Die Gewerkschaften gegen die Arbeitsrechtreform