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Sozial- und Kulturanthropologie (B.A.)

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Was ist der sozial-kulturanthropologische Blick?

Im Kontext ihrer kolonialen Entstehungsgeschichte galt die Sozial- und Kulturanthropologie, damals als "Völkerkunde" bezeichnet, lange als Expertendisziplin für außereuropäische Gesellschaften, während für europäische Gesellschaften andere Disziplinen (vor allem die Soziologie) zuständig waren. Gleichzeitig spielt eine solche, vor allem ideologisch geprägte regionale Orientierung heute eine zunehmend geringe Rolle im Selbstverständnis des Fachs: Dieses wird weniger durch einen spezifischen Untersuchungsort, sondern vor allem durch spezifische Fragestellungen, Methoden und Theorien – oder kurz gesagt: durch den „ethnologischen Blick“ – geprägt (Heidemann, Frank 2011: Ethnologie: Eine Einführung. Göttingen:  Vandenhoeck & Ruprecht; Seite 11).

Was ist genau unter dem ethnologischen, bzw. sozial- und kulturanthropologischen Blick zu verstehen?

Mit der Formel „large issues in small places“ beschreibt Thomas Eriksen die Herangehensweise des Faches. Er nimmt Bezug darauf, dass Sozial- und Kulturanthropolog_innen komplexe soziale Phänomene bevorzugt im Rahmen begrenzter, kleiner Forschungsfelder untersuchen. Um z.B. Näheres über die Lebensbedingungen von Migrant-innen aus Ghana  in Deutschland zu erfahren, untersuchen sie exemplarisch eine bestimmte ghanaische Gemeinschaft in Berlin oder anderswo anstatt eine große deutschlandweite Erhebung zu starten. Dahinter steht die Überzeugung, dass sich zentrale gesellschaftliche Prozesse (large issues) immer auch in umgrenzten sozialen Kontexten (small places) spiegeln.  Eine Konsequenz dieses Ansatzes ist, dass Sozial- und Kulturanthropolog_innen ihren Blick auf scheinbar begrenzte Lebenswelten richten, die sie tiefgehend zu erfassen suchen. Datentiefe ist ein zentrales Kennzeichnen ethnologischer Forschungspraxis und definiert auch die Forschungsmethoden des Faches.

Dabei gilt das ethnologische Interesse der Sicht, aus der die Handelnden selbst ihre Welt erleben, wahrnehmen und erklären Sozial- und Kulturanthropolog_innen versuchen sich stets der Binnenperspektive der Beteiligten anzunähern. Dabei gehen fast alle aktuellen Ansätze der SKA davon aus, dass Menschen durch ihre spezifischen Handlungen Bedeutungen hervorbringen und Sinn schaffen.

Die SKA ist stark durch verstehende, aber auch erklärende Ansätze gekennzeichnet. In diesem Verstehensprozess wird eine Perspektive der ‚Verfremdung‘ eingenommen: Gleichgültig ob das jeweilige Forschungsfeld einen Teilbereich der eigenen Gesellschaft bildet oder sich in einer anderen, gänzlich unvertrauten Gesellschaft befindet, es werden die eigenen Vorstellungen der Forscherin bzw. des Forschers in Frage gestellt (Heidemann 2011:11). Auch das Vertraute wird stets „fremdgesetzt“, d.h. aus einer Perspektive des Unvertrauten betrachtet.

Verbunden mit den bereits angeführten Charakteristika des fachspezifischen Blicks ist die holistische Betrachtungsweise. Eine solche „ganzheitliche“ Perspektive ist dadurch gekennzeichnet, dass sie nach den komplexen Verflechtungen verschiedener gesellschaftlicher Teilbereiche fragt (vgl. Eriksen 2010:2), anstatt diese getrennt voneinander zu betrachten.

 

Quellen

Eriksen, Thomas Hylland 2010: Small places, large issues: An introduction to Social and Cultural Anthropology. 3. Überarbeitete Auflage. London [u.a.]: Pluto Press.

Heidemann, Frank 2011: Ethnologie: Eine Einführung. Göttingen:  Vandenhoeck & Ruprecht.   

Aufgabe
Lesen Sie zunächst die Hintergrundinformationen zum ethnologischen bzw. sozial- und kulturanthropologischen Blick und bearbeiten Sie dann die Aufgabe: Welche der folgenden Beispiele könnten die oben genannten Elemente des fachspezifischen Blickes veranschaulichen? Ordnen Sie den Beispielen die entsprechenden Schlagwörter zu, indem Sie diese mit gedrückter Maustaste auf die entsprechenden Felder ziehen.
fachspezifischer Blick
Ein Forschungsprojekt zum Umgang mit HIV/AIDS-Erkrankungen in Tansania würde nicht nur nach der Beschaffenheit des medizinischen Versorgungssystems fragen, sondern auch nach der Rolle von Religion, von Familie und dem weiteren sozialen Umfeld von Erkrankten sowie nach dem sozio-ökonomischen Kontext und globaler Gesundheitspolitik.
 
Im Beispiel wird die Verwobenheit verschiedener gesellschaftlicher Bereiche hervorgehoben, insofern handelt es sich um eine „ganzheitliche“ Perspektive: Diese ordnet individuelle Erfahrungen und Handlungsweisen in verschiedene Kontexte ein.
Zur Untersuchung der Konsumkultur im Kontext deutscher Shoppingmalls würden Sozial- und Kulturanthropolog_innen verschiedene Perspektiven einnehmen: Sie könnte z.B. den Ort aus Sicht einer Verkäuferin, einer Sicherheits- oder Putzkraft kennenlernen.
 
Auch eine bekannte Umgebung kann als unbekannt untersucht werden, um Erkenntnisse über den eigenen Erfahrungshorizont hinaus zu gewinnen.
Um den klinischen Umgang mit Depression in Deutschland zu erforschen, würde ein/e Anthropolog_in eher ein Jahr lang auf einer Krankenhausstation forschen, sich mit dem Fachpersonal, Patient_innen und Angehörigen unterhalten, als möglichst viele verschiedene Kliniken bundesweit zu erfassen.
 
Dieses Beispiel hebt auf die tiefgehende Qualität von Daten im Vergleich zur breit gestreuten Quantität ab.
Eine Untersuchung zum Umgang mit Flut im Gangesdelta in Bangladesh würde zuerst danach fragen, wie die Bewohner_innen vor Ort mit der Flut umgehen, wie sie diese erklären und welche Handlungsstrategien für sie „Sinn“ machen.
 
Ausgangspunkt ist die Sicht der Handelnden selbst, d.h. von innen, anstatt einer Sicht von außen, wie sie zum Beispiel Experten des Katastrophenschutzes formulieren würden.
1.
Datentiefe
2.
Binnenperspektive
3.
holistische Betrachtungsweise
4.
Perspektive der ‚Verfremdung’

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