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Virginia Woolfs “To the Lighthouse” - Seminarsimulation und Analysebeispiel
Virginia Woolf (1882-1941) ist eine englische Schriftstellerin der Bloomsbury Group, Verlegerin und eine entscheidende Figur der Frauenbewegung der 30-er und 70-er Jahre. Ihr Schreiben zeichnet sich durch eine Reflexion nicht nur über wichtige Themen ihrer Zeit, sondern über das Schreiben selbst aus. Woolfs Nachdenken über Literatur und Genre, Prosa und Poesie und die experimentelle Entwicklung dieser Fragen in ihrem avantgardistischen Schreiben, das sich z.B. durch Mehrstimmigkeit und die Erzähltechnik des sog. “stream of consciousness” auszeichnet, prägt maßgeblich unseren Begriff der klassischen Moderne. Der folgende Ausschnitt aus dem 1927 vollendeten autobiographischen Roman To the Lighthouse öffnet einen Blick auf implizite Überlegungen zum Schreiben und Erzählen selbst, die mit Begriffen der Erzähl-, Zeichen oder Intertextualitätstheorie gefasst werden können. Anhand mehrerer exemplarischer Fragen zu dem folgenden Ausschnitt soll deutlicher werden, wie z.B. in einer Seminarsituation eine Annäherung an Woolfs Text erfolgen kann.
And dismissing all this, as one passed in diving now a weed, now a straw, now a bubble, she felt again, sinking deeper, as she had felt in the hall when the others were talking, There is something I want - something I have come to get, and she fell deeper and deeper without knowing quite what it was, with her eyes closed. And she waited a little, knitting, wondering, and slowly those words they had said at dinner, 'the China rose is all abloom and buzzing with the honey bee' began washing from side to side of her mind rhythmically, and as they washed, words, like little shaded lights, one red, one blue, one yellow, lit up in the dark of her mind, and seemed leaving their perches up there to fly across and across, or to cry out and to be echoed; so she turned and felt on the table beside her for a book.
And all the lives we ever lived
And all the lives to be,
Are full of trees and changing leaves,
she murmured, sticking her needles into the stocking. And she opened the book and began reading here and there at random, and as she did so she felt that she was climbing backwards, upwards, shoving her way up under petals that curved over her, so that she only knew this is white, or this is red. She did not know at first what the words meant at all.
Steer, hither steer your winged pines, all beaten Mariners
she read and turned the page, swinging herself, zigzagging this way and that, from one line to another as from one branch to another, from one red and white flower to another, until a little sound roused her – her husband slapping his thighs.
Virginia Woolf, To the Lighthouse. London: Penguin Books, 2000. S. 128-9.
Versuchen Sie auf Basis einer gründlichen Lektüre des Textausschnitts für sich die untenstehenden Fragen, die Sie in einer Lehrveranstaltung antreffen könnten, zu beantworten. Lesen Sie anschließend, auf welche Überlegungen die Fragen in einem Seminar zum Beispiel zielen könnten. Versuchen Sie diese nachzuvollziehen und eventuell mit eigenen Beobachtungen zu ergänzen. Wenn Sie daraufhin den Ausschnitt aus To the Lighthouse noch einmal lesen, reflektieren sie darüber, ob und wie sich Ihre Lektüreerfahrung verändert hat.
Mit solchen Fragen beschäftigt sich die Erzähltheorie. Erzähltheoretische Modelle (bspw. von Gérard Genette) unterscheiden bei einer Textanalyse grundlegend Autor_innen, und die von ihnen erfundenen Erzähler_innen. Diese Vermittlungsinstanz eines Textes ist, manchmal mehr oder weniger deutlich erkennbar, in allen Erzähltexten zu finden. Ein Ziel der Erzähltheorie ist es, anhand von verschiedenen Kriterien die Erzählinstanz eines Textes beschreibbar und vergleichbar zu machen.
So kann beispielsweise eine Erzählerinstanz in Hinblick auf ihre Stimme und die Frage, was und wie sie sieht, näher beschrieben werden. In dieser Passage könnte das so aussehen: Die Erzählerin ist nicht Teil der erzählten Welt, das nennt sich heterodiegetisch. Die Fokalisierung ist intern, das heißt, die Erzählerin ist dem erzählten Geschehen sehr nahe, sie kann sogar die Gedanken der Protagonistin nachvollziehen. Trotzdem ist sie nicht mit der Protagonistin zu verwechseln, diese wird durch “she” klar gekennzeichnet. Die Erzählung der inneren Vorgänge der Figur hat den Effekt der Unmittelbarkeit, die aber im Widerspruch zur distanzierten beobachtenden Position steht.
So wie ein Gewebe bestimmte Eigenschaften hat (der Faden wird Reihe für Reihe untereinander gewebt, es können bestimmte Muster gestrickt werden), lässt sich auch ein Text als eine Art Gewebe begreifen, das zum Beispiel aus verschiedenen Schriftzeichen, Sätzen, Motiven besteht. In dieser Szene wird das dadurch aufgegriffen, dass Stricken und Lesen analog gesetzt werden. Beim Stricken wie beim Lesen produziert die Protagonistin gedanklich einen eigenen Text. Genauso wie also das Stricken voranschreitet, schreitet auch der Text voran – und gleichzeitig entwickeln sich die Gedanken der Protagonistin, deren Verzweigungen dabei in den Blick geraten. Deswegen können die beiden Tätigkeiten als Metaphern ihres Erzählens verstanden werden. Stricken ist kulturgeschichtlich weiblich konnotiert. Das Motiv der strickenden Frau ist im viktorianischen Roman weit verbreitet und steht eher für ein traditionelles Rollenverständnis. Hier findet eine Neukonnotation des Motivs statt, indem die Metapher auch so etwas wie ein „weibliches“ Schrift- bzw. (Lese-)verständnis formt.
Texte entstehen nicht im luftleeren Raum, sondern nehmen aufeinander Bezug, zum Beispiel, indem sie sich zitieren, aufeinander anspielen, aufeinander verweisen. Das nennt sich Intertextualität. Hier hat man es zum Beispiel mit dem gedanklichen Zitieren eines lyrischen Textes zu tun. Zwar ist das Zitat im Schriftbild deutlich abgehoben (und damit wird gezeigt, dass es sich um einen fremden Text handelt), aber trotzdem werden die beiden Texte miteinander verwoben - vielleicht in etwa so, wie es sich auch im Gedankenfluss abbilden könnte. Durch die Reimform und den Rhythmus hebt sich der lyrische deutlich von dem ihn umgebenden Text ab, auch, wenn beide in den Gedanken der Protagonistin zu verschmelzen scheinen. Sie achtet zum Beispiel weniger auf die Bedeutung der Worte (wir erfahren ja auch nichts über die Herkunft dieses Gedichts), sondern eher auf deren Klang oder sogar deren Farbe. So schreibt sich eine „fremde Stimme” in das Textgewebe ein.