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Dr. Philip Groth, IT Business Partner R&D bei Bayer
Stellen Sie Ihren Beruf kurz vor. Wie sieht Ihr Berufsalltag aus (typische Tätigkeiten, Arbeitszeiten etc.)?
Ich habe nach meinem Masterabschluss erst promoviert und dann von 2008 bis 2013 als Bioinformatiker für verschiedene Industrieunternehmen gearbeitet. Meistens war ich mit der Analyse von Hochdurchsatzdaten und der statistischen Auswertung dieser Daten beschäftigt. Häufig musste ich für neue Technologien auch neue Algorithmen zur Auswertung entwickeln.
Seit Juni 2013 bin ich IT-Manager bei Bayer in Berlin und bin aktiv an der Gestaltung der IT-Landschaft für die Forschung beteiligt. Ich bin jetzt weniger auf der operativen als mehr auf der planerischen Ebene aktiv, insbesondere wie unsere interne Bioinformatik ihre wissenschaftlichen Aufgaben mit der Unterstützung einer effizienten IT besser gelöst bekommt.
Warum haben Sie sich seinerzeit für das Studium der Bioinformatik entschieden?
Ich hatte mich zunächst für ein Informatikstudium entschieden; zu dem Zeitpunkt gab es Bioinformatik als Studiengang noch nicht. Nach zwei Semestern Informatik habe ich festgestellt, dass ich noch etwas „Pepp“ dazu brauche. Bioinformatik war damals ganz neu und klang interessant. Nach kurzer Zeit war ich vereinnahmt und bin bis heute dabei geblieben. In meiner Vorstellung gibt „Bio“ der „Informatik“ den Pfeffer, den sie braucht, um – für mich – nachhaltig spannend zu bleiben.
Wann haben Sie sich für Ihren aktuellen Beruf entschieden und haben sich Ihre Erwartungen daran, ggf. aus Ihrer Zeit als Studierender erfüllt?
Meine ersten Jobs in der Industrie waren so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Im Großen und Ganzen konnte ich mein Wissen aus dem Studium direkt anwenden, auch wenn sich die Technologien seit dem Studium verändert haben (damals standen Microarrays im Fokus, heute eher Sequenziertechnologien).
Mein jetziger Beruf ist da schon etwas weiter weg. Das ist aber ganz normal, schließlich will man sich weiter entwickeln (in einer akademischen Laufbahn geschieht dies auch über den Pfad als Postdoc, Gruppenleiter, Juniorprofessor, etc.). Zum Glück wird dem Bioinformatiker – wie den meisten Naturwissenschaftlern – die Fähigkeit, offen mit Veränderungen umzugehen (z.B. neue Daten, Algorithmen und Technologien zu verarbeiten) als essentieller Teil der Ausbildung im Studium bereits angelegt.
Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, das Sie während des Studiums für Ihren aktuellen Beruf gelernt haben?
Den für mich wichtigsten Ratschlag erhielt ich gleich am ersten Tag meines Studiums: „Mut zur Lücke“. Bioinformatik ist als Fach sehr breitgefächert und fast schon überwältigend; dieses Gefühl beschleicht mich bis heute. Die Biologie ist komplex, ebenso die Algorithmen und die Möglichkeiten sind nahezu unbegrenzt; täglich kommen neue Daten in großem Maßstab und Möglichkeiten diese auszuwerten hinzu. Es wird daher nie gelingen, alles zu wissen oder zu können. Fokussierung auf das Wesentliche ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Der andere, noch viel wichtigere ist, regelmäßig in sich hinein zu hören und herauszufinden, was einem Spaß macht und was bzw. wohin man will. Das fängt bei den Fragen nach Wahlfächern an und geht später mit der Frage weiter, ob man eine Karriere in der Industrie oder Akademia verfolgen möchte. Hier hat es mir sehr geholfen, dass ich als Student verschiedene studentische Hilfsjobs (auch Praktika) sowohl an der Uni als auch in der Industrie (und auch im Ausland, z.B. bietet sich das European Bioinformatics Institut hier an) gemacht habe. Diese Erfahrungen haben in meinem Kopf für die notwendige Klarheit gesorgt – und in meiner Tasche für ein Einkommen neben dem Studium.
Welche Zusatzqualifikationen sollte man schon während des Studiums erwerben, die für Ihren jetzigen Beruf nützlich oder essentiell sind?
Das lässt sich nicht pauschal sagen. Es handelt sich aber um ein naturwissenschaftliches Studium, daher liegt es nahe, sich frühzeitig Fähigkeiten zum wissenschaftlichen Arbeiten und Publizieren anzueignen – Reproduzierbarkeit von Forschungsergebnissen ist aus meiner Sicht eines der wichtigsten Themen und sollte stets zum Selbstverständnis jedes (angehenden) Wissenschaftlers gehören. Dazu gehört dann auch die Fähigkeit, klar zu kommunizieren und komplexe Inhalte verständlich wiedergeben zu können – auch mündlich (also in Präsentation und Vorträgen) und vor allem auf Englisch. Konkret würde ich empfehlen, möglichst viel relevante wissenschaftliche Literatur (sog. „Paper“) zu lesen, nachzuvollziehen und ggf. KommilitonInnen zu präsentieren. Hierzu könnten auch extrakurrikuläre Aktivitäten (Reader Digest Club) dienen. Insgesamt kann ich auch hier wieder nur empfehlen, fokussiert vorzugehen. Das ist wichtig. Und die beste Qualifikation ist immer noch, für sein Thema zu „brennen“.
Gibt es etwas im Studium, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Der große Zusammenhalt der Studierenden untereinander ist mir bis heute im Kopf geblieben. Ich habe noch heute Kontakt zu Freunden aus meinem Studium. Ansonsten erinnere ich mich daran, dass zumindest in den ersten drei bis vier Semestern der Stoff und die Arbeitslast überwältigend erscheinen. Auch ich musste Klausuren wiederholen und habe nicht immer alle Übungszettel geschafft. Bis heute habe ich aber den Spaß an der und die Leidenschaft für die Bioinformatik behalten.
Welchen Rat würden Sie StudienanfängerInnen geben, die später ebenfalls Ihren Beruf ausüben möchten?
Am wichtigsten ist, das Studium zu genießen, d.h. „Work hard & play hard“. Inhaltlich würde ich erstmal versuchen, einfach über Wasser zu bleiben. Im ersten Semester wird sich einem das Große und Ganze nicht erschließen. Es lohnt sich, einen Mechanismus gegen Sinnkrisen zu entwickeln (Ich habe dann kurz pausiert, die Aussicht genossen, zum Gipfel geschaut und bin dann weitermarschiert). Dazu braucht man Rückhalt. Aus Lerngruppen können Freundschaften erwachsen. Ich empfehle, diese aufzubauen und zu pflegen. Wer konkrete Karrierepfade bereits im Bachelorstudium betreten möchte, sollte einschlägige Praxiserfahrung sammeln und sich einen Job als studentische Hilfskraft suchen.
Kurz: Viel feiern, niemals aufgeben, fokussiert arbeiten und stets den „Mut zur Lücke“ pflegen.