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Marco Hillemann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Stellen Sie Ihren Beruf kurz vor? Wie sieht Ihr Berufsalltag aus (typische Tätigkeiten, Arbeitszeiten etc.)?
Ich bin als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Centrum Modernes Griechenland (CeMoG) der Freien Universität Berlin tätig, einer kürzlich gegründeten Einrichtung, die sich der Erforschung, Förderung und Intensivierung des deutsch-griechischen Wissenschafts- und Kulturtransfers widmet. Meine Hauptaufgaben betreffen den Aufbau einer digitalen Wissensbasis zu den kulturellen, politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen u.a. Austauschprozessen, die sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zwischen den deutschen und griechischen Kulturräumen vollzogen haben. Die entstehende Wissensbasis versucht, diese Prozesse durch eine Kombination von enzyklopädischen Artikeln, bibliographischen Informationen, Bild- und Tondokumenten sowohl für die wissenschaftliche Forschung wie auch für ein breiteres Publikum zugänglich zu machen.
Zu meinem Berufsalltag gehören zunächst einmal die verschiedenen Tätigkeiten, die unmittelbar im Zusammenhang mit dem Aufbau der Wissensbasis stehen, also etwa die theoretische Fundierung und inhaltliche Strukturierung ihrer einzelnen Wissensbereiche, die Pflege und Erweiterung ihrer bibliographischen Datenbanken und die Konzeption der enzyklopädischen Einträge, die teilweise auch von mir verfasst werden. Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte werden in regelmäßigen Treffen mit den anderen Kollegen besprochen, die an diesem Projekt beteiligt sind. Außerdem schreibe, übersetze und lektoriere ich verschiedene Texte, z.B. für den Gebrauch auf unserer Internetseite. Schließlich beteilige ich mich in verschiedenen Funktionen an der Organisation und Durchführung unserer Konferenzen, Workshops u.a. Veranstaltungen.
Meine Arbeit im CeMoG umfasst 19,5 Stunden pro Woche. Die Arbeitszeit kann ich mir relativ flexibel einteilen, wobei die angegebene Stundenzahl allerdings eher einen Durchschnittswert bezeichnet, der jeweils an die anfallenden Aufgaben angepasst werden muss. Gleichzeitig promoviere ich im Fach Neogräzistik mit einer Dissertation zur griechischen Rezeption Friedrich Schillers im 19. Jahrhundert, einem Thema, das sich glücklicherweise ganz gut mit meiner Forschungstätigkeit im CeMoG ergänzt. Gleichwohl ist es nicht immer ganz einfach, die Anforderungen der beiden Arbeitsbereiche zeitlich miteinander zu koordinieren.
Warum haben Sie sich seinerzeit für ein Studium der Neogräzistik entschieden?
Vor dem Beginn meiner Promotion an der Freien Universität Berlin habe ich an der Universität Leipzig ein Magisterstudium mit dem Hauptfach Germanistik und den Nebenfächern Neogräzistik sowie Ost- und Südosteuropawissenschaften absolviert. Für mein Hauptfach Germanistik hatte ich mich bereits während der Schulzeit entschieden. Nach dem Abitur beschäftigte ich mich dann erstmals mit der Frage nach weiteren Studienfächern. Dass die Wahl dabei auf die Neogräzistik fiel, war so etwas wie eine Bauchentscheidung mit Kopfanteil. Denn einerseits hatte ich mich schon von klein auf für alles Griechische begeistert und bereits vor dem Studium damit begonnen, die neugriechische Sprache zu erlernen. Andererseits stieß ich in einem der Hilfsbücher zur Studienwahl, die ich damals konsultierte, auf den Hinweis, dass es im Hinblick auf die späteren Beschäftigungsperspektiven eine gute Idee sei, die ‚große‘ Philologie Germanistik mit dem Studium einer weiteren, nach Möglichkeiten etwas exotischeren Sprache zu verbinden. Wie genau ich diese Verbindung für mein späteres Berufsleben ausnutzen würde, war mir damals zwar noch nicht ganz klar. Aber mein persönliches Interesse und der Ratschlag aus dem Studienberater ließen mir die Fächerwahl von vornherein recht plausibel erscheinen.
Wann haben Sie sich für Ihren aktuellen Beruf entschieden und haben sich Ihre Erwartungen daran, ggf. aus Ihrer Zeit als Studierender erfüllt?
Zu Beginn meines Studiums dachte ich nicht unbedingt an eine wissenschaftliche Laufbahn, sondern eher an eine Berufstätigkeit im Verlagsbereich oder in einer Kulturinstitution. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dieser Perspektive ergab sich erstmals während meines einjährigen Erasmus-Studiums in Rethymno (Kreta), wo ich meine Sprach- und Sachkenntnisse deutlich verbessern konnte und mein Interesse für das Thema der deutsch-griechischen Kulturbeziehungen deutliche Konturen gewann.
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir dabei ein Seminar zu dem kretischen Schriftsteller Nikos Kazantzakis, von dem ich zuvor schon einiges auf Deutsch gelesen hatte und an den ich mich nun erstmals in der Originalsprache heranwagte. Den Abschluss des Seminars bildete eine internationale Konferenz, welche die Universität Kreta aus Anlass des 50. Todestages von Kazantzakis ausrichtete. Das breite Spektrum an Rezeptions- und Austauschprozessen, das hier, u.a. mit Blick auf die Verbindungen des Schriftstellers zur deutschen Kultur, aufgedeckt wurde, machte mir Lust, selbst in diesem Gebiet zu forschen. Durch verschiedene Gespräche mit den Lehrkräften vor Ort wurde ich in dieser Absicht bestätigt.
Es wäre vielleicht übertrieben, darin schon eine berufliche ‚Vorentscheidung‘ zu sehen. Die entscheidende Weichenstellung brachten wohl eher der kurz darauf zustande gekommene Kontakt zu meinem Doktorvater und der Entschluss, zu einem Thema der deutsch-griechischen Literaturbeziehungen zu promovieren. Die Anstellung im neu gegründeten Centrum Modernes Griechenland eröffnet mir nun die Möglichkeit, an einem Projekt mitzuwirken, das auf erstaunliche Weise meinen persönlichen Interessen und im Studium erworbenen Qualifikationen entspricht. Insofern kann ich gegenwärtig behaupten, dass meine Erwartungen aus der Studienzeit sogar übererfüllt worden sind.
Was ist Ihrer Meinung nach das Wichtigste, das Sie während des Studiums für Ihren aktuellen Beruf gelernt haben?
Zunächst einmal natürlich die neugriechische Sprache sowie die erforderlichen Fachkenntnisse zur neugriechischen Kultur und Geschichte; sicher auch das erforderliche wissenschaftliche Handwerkszeug wie die Techniken der Literaturrecherche, die kritische und selbständige Auseinandersetzung mit Texten, die theoretischen und praktischen Grundlagen der Übersetzungsarbeit; und schließlich einige der berühmten soft skills, die immer wieder gerne bemüht werden, also z.B. Organisationsfähigkeit und interkulturelle Kompetenz.
Welche Zusatzqualifikationen sollte man schon während des Studiums erwerben, die für Ihren jetzigen Beruf nützlich oder essentiell sind?
Auf jeden Fall sollte man sich möglichst früh um einen Studienaufenthalt in Griechenland kümmern, denn nur auf diese Weise lassen sich die sprachlichen und kulturellen Kompetenzen erwerben, die für eine tiefergehende (nicht nur, aber auch) wissenschaftliche Beschäftigung mit diesem Land erforderlich sind. Ebenfalls von großem Nutzen sind Kenntnisse im Altgriechischen und/oder in weiteren modernen Fremdsprachen. Daneben ist es aus meiner Sicht sinnvoll, die neogräzistischen Kenntnisse in eine breitere historische, kulturelle oder wissenschaftliche Perspektive einzubetten. In meinem Falle war das die literaturwissenschaftlich-komparatistische Perspektive des Germanisten; aber auch andere – etwa politikwissenschaftliche, soziologische oder linguistische – Ansätze können sich als fruchtbar erweisen.
Gibt es etwas im Studium, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Positiv aus meiner Studienzeit in Erinnerung geblieben sind mir vor allem die übersichtliche Kursteilnehmer*innenzahl und das persönliche Verhältnis zu den Lehrkräften der Neogräzistik. Im Vergleich zu den Bedingungen in der Germanistik, wo ich mich an Seminare mit über 200 Teilnehmer*innen erinnern kann, stellte das einen krassen Gegensatz dar. Gerade für die Motivation und den Lernerfolg von Studienanfänger*innen ist eine solche Betreuungssituation von unschätzbarem Wert.
Welchen Rat würden Sie Studienanfänger*innen geben, die später ebenfalls Ihren Beruf ausüben möchten?
Bei der Auswahl und Zusammenstellung des Studiums sollte man sich nicht allein am vermeintlichen Nutzen eines Faches orientieren. Gerade wer später einmal in der Wissenschaft arbeiten möchte, sieht sich ja zunächst ohnehin einer eher diffusen Beschäftigungsperspektive ausgesetzt. Das heißt natürlich nicht, dass man nicht zielorientiert auf eine solche hinarbeiten könnte. So sind z.B. die Tätigkeiten als Studentische Hilfskraft oder Tutor*in gut dazu geeignet, in verschiedene Bereiche der akademischen Arbeitswelt hineinzuschnuppern. Die Teilnahme an wissenschaftlichen Konferenzen und den Kolloquien des Fachbereichs kann außerdem dazu beitragen, einen schärferen Blick für die Gegenstände und Fragestellungen des eigenen Faches zu gewinnen. Es ist aber ebenso wichtig, die emotionale Bindung zu seinem wissenschaftlichen Interessengebiet lebendig zu halten. Denn Freude an der Arbeit ist sicherlich der zuverlässigste Kompass für einen erfolgreichen Berufsweg.