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Autoren und Werke in ihrer Epoche (Französische Literaturgeschichte)
Die Literaturwissenschaft bedient sich in Deutschland wie in Frankreich diverser Epochenbegriffe (die nur teilweise Überschneidungen aufweisen). Epochenbegriffe sind Konstrukte, die unter anderem dazu dienen, ideengeschichtliche Gemeinsamkeiten oder formale Neuerungen einer Zeit zusammenfassend zu beschreiben. Diese sind wiederum ausschlaggebend für die Zuordnung von literarischen Texten zu einer bestimmten Epoche.
Nachfolgend finden Sie – chronologisch angeordnet – kurze Einführungen in Epochen bzw. literarische Strömungen der französischen Literaturgeschichte:
Der Beginn dieser Epoche kann mit dem ältesten überlieferten Werk der französischen Literatur, der Eulalia-Sequenz (um 882), datiert werden. Die Epoche erstreckt sich bis zum Ende des Spätmittelalters (Ende des 15. Jahrhunderts) über einen sehr langen Zeitraum und beinhaltet deshalb viele Werke mit sehr unterschiedlichen Charakteristika. Darunter finden sich beispielsweise die Chansons de gestes (Heldenlieder), Romane mit antiken und keltischen Stoffen (matière de Rome und matière de Bretagne) und Troubadourlyrik.
Mit dem 16. Jahrhundert beginnt in Frankreich die Renaissance und mit ihr die Neuzeit. Das aus Italien importierte Gedankengut des Humanismus zeichnet sich durch eine Rückbesinnung auf die römische und griechische Antike und die Anforderung an den Menschen aus, sich selbst zu bilden und für sein Handeln Verantwortung übernehmen. Daraus entsteht die Renaissance (‚Wiedergeburt‘) der Wissenschaften und der Künste. Die Lyrik hat im Vergleich zu den in dieser Zeit entstehenden narrativen und dramatischen Texten eine herausragende Stellung.
Die Klassik des 17. Jahrhunderts ist eine Zeit der kulturellen Blüte in Frankreich. Während man sich an der Antike orientiert, versuchen die Autoren gleichzeitig eigenständige Werke mit einem hohen Maß an Vollkommenheit zu schaffen. Aus dieser Zeit stammen berühmte philosophische Essays. Vor allem aber gilt das 17. Jahrhundert als goldene Zeit des Theaters.
Im 18. Jahrhundert erlebt Frankreich nach dem Tod von Ludwig XIV. zunächst eine Liberalisierung, aus der heraus sich die Aufklärung entwickeln kann. Das zunehmend kritische Denken stellt überkommene Dogmen in Frage. Die Forderung nach dem Gebrauch des menschlichen Verstands soll zum Hinterfragen etablierter Normen führen. Auf der Grundlage dieses Gedankenguts entstehen philosophische Schriften, eine große Enzyklopädie und aufklärerische Dramen. Eine besondere Blüte erlebt zu der Zeit außerdem die erzählende Prosa.
Die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts anzusiedelnde Romantik umfasst verschiedene Strömungen und Ideologien. Die Literatur der Romantik wird der Früh-Moderne zugeordnet. Sie wendet sich von der klassischen Literatur ab und konzentriert sich stark auf das Individuum. Dabei werden das Subjektive, das Gefühl und ein neues Verhältnis zur Natur hervorgehoben. Neben programmatischen Schriften finden sich narrative Texte, einige lyrische Werke sowie Dramen.
Die prägenden Gattungen im Frankreich des 19. Jahrhunderts sind die Lyrik und der Roman. Die Mitte des Jahrhunderts stellt die Blütezeit des realistischen Romans dar. Dieser hat einen starken Gegenwartsbezug und reflektiert gesellschaftliche Normen und soziale Verhaltensweisen. Der Roman wird als Spiegel verstanden, der der Gesellschaft vorgehalten wird.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrscht der naturalistische Roman die französische Literatur. Das Schreiben wird als (natur-)wissenschaftliches Experiment verstanden, der Autor wird dabei zum Beobachter und Forscher. Der Roman soll ein Abbild der Gesellschaft schaffen, wobei durch das Beschreiben sozialer Missstände zu deren Beseitigung beigetragen werden soll.
Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts entsteht eine neue Strömung in der französischen Literatur. Verschiedene Autor*innen mit teilweise sehr unterschiedlichen Vorstellungen teilen die Abwendung vom realistischen Roman. Den Konzepten der Tiefe, Bedeutsamkeit und Natürlichkeit wird die Relevanz abgesprochen. Stattdessen wird die Welt als Oberfläche beschrieben; das menschliche Bewusstsein wird ausgespart und die Figurenpsychologie hat ausgedient. Es gilt, den Blick für Strukturen, Größenverhältnisse und Entfernungen zu schulen. Dabei findet auch eine sprachliche Neuerung statt.
Ordnen Sie die folgenden Werke den aufgeführten Epochen bzw. literarischen Strömungen zu.
Le Moyen Âge
Chrétien de Troyes: Perceval ou Le conte du Graal
Dieses (unvollendete) Werk von 1181-90 ist ein höfischer Artusroman und das letzte aus einer Reihe von fünf Werken. Die Artusromane lassen sich zu den Romanen mit keltischen Stoffen, der matière de Bretagne zählen. Während die ersten vier Werke der Reihe eine idealisierte höfische Ritterwelt darstellen, wird diese Welt im Perceval kritisch hinterfragt und das arthurische Universum wird als untergehendes Reich dargestellt.
La Renaissance
Michel de Montaigne: Essais
Die Essaysammlung aus den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts setzt sich mit Konzepten des Humanismus und antiken und mittelalterlichen Vorbildern auseinander. Gleichzeitig erforscht der Autor darin das Selbst in all seinen Facetten und seiner Wandelbarkeit. Dabei geht er unsystematisch und nicht einheitlich vor und die Essais wirken dadurch zunächst unvollkommen. Doch eben dies ist Teil des Konzepts und trägt zur Kreation der neuen Gattung des moralistischen Essays bei.
Le siècle classique
Jean Racine: Phèdre
Dieses Drama von 1677 besteht, wie die anderen klassischen Dramen, aus fünf Akten. Der Stoff der in ihren Stiefsohn Hippolyte verliebten Phèdre stammt aus einer antiken Tragödie von Euripides. Ihre Leidenschaft führt zur Zerstörung der Welt und zum Tod der Hauptfiguren. Die Ausweglosigkeit der Situation und die dadurch in ihren Entscheidungen unfreien Charaktere entstammen ebenfalls dem Vorbild der griechischen Tragödie.
Le siècle des lumières
Jean-Jacques Rousseau: Julie ou La Nouvelle Héloïse
Dieses Werk von 1761 ist in Form eines Briefromans verfasst und erzählt von einer Protagonistin, die sich im Konflikt zwischen ihren Pflichten als Ehefrau und Mutter und als Person mit eigenen Liebessehnsüchten befindet. Dabei zeichnet der Autor ein negatives Bild seiner Zeit. Er beschreibt außerdem den Konflikt zwischen Gefühl und Verstand.
Le Romantisme
Victor Hugo: Cromwell
Dieses Drama von 1827 enthält in seiner Préface eine programmatische Schrift über das romantische Theater. Hugo plädiert darin unter anderem für den Gebrauch der dreigliedrigen Form und des Alexandrinerverses. Er propagiert damit auch das historische Drama, das zentrale Konflikte seiner Zeit in den Vordergrund stellt. Diese Prinzipien will er im Drama selbst exemplarisch umsetzen. Es geht darin um den englischen Lord Cromwell, der als nachrevolutionärer Herrscher mit Napoleon assoziiert werden kann.
Le Réalisme
Stendhal: Le rouge et le noir
Dieser 1830 erschienene Roman markiert den Beginn des Realismus. Er erzählt die Geschichte des aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Julien Sorel, der versucht, Zugang zur aristokratischen Gesellschaft zu erlangen. Zunächst ist er dabei erfolgreich, scheitert am Ende aber. Der zeitweilige Aufstieg gelingt ihm durch sein persönliches Talent und seine Leistungen, doch diese machen ihn auch kaltherzig gegenüber geliebten Personen, die er für seinen Aufstieg nutzt.
Le Naturalisme
Émile Zola: Nana
Zola ist der herausragendste Vertreter des Naturalismus, der zahlreiche Romane sowie verschiedene programmatische Schriften verfasst. Nana, aus dem Jahr 1880, stammt aus der Rougon-Macquart-Reihe, in der er das Schicksal zweier französischen Familien über mehrere Generationen hinweg beschreibt und somit ein detailliertes Bild der französischen Gesellschaft entfaltet. Nana erzählt die Geschichte einer jungen Frau, die sich aus Geldnot prostituieren muss und dabei Popularität und die finanzielle Fürsorge eines Liebhabers gewinnt. Sie steht dabei im Konflikt zwischen ihrer finanziellen Abhängigkeit und dem Wunsch nach individueller Selbstbestimmung. Nach dem Ruin des gönnerhaften Liebhabers stirbt sie verarmt an einer Krankheit.
Le Nouveau Roman
Alain Robbe-Grillet: La jalousie
Dieser 1957 erschienene Roman von Robe-Grillet, der häufig als Kopf der Nouveaux Romanciers bezeichnet wird, ist charakteristisch für die Beschreibungstechnik des Nouveau Roman. Die scheinbare Neutralität der Sprache führt zu zahlreichen Ambivalenzen, so auch im Titel: Es wird suggeriert, dass das Geschehen durch eine Jalousie betrachtet wird und Eifersucht im Spiel ist. Das Spezifische ist, dass der Blick auf das Geschehen keiner Figur mehr zugeordnet werden kann.
Jean-Jacques Rousseau: Julie ou La Nouvelle Héloïse
Émile Zola: Nana
Jean Racine: Phèdre
Alain Robbe-Grillet: La jalousie
Victor Hugo: Cromwell
Chrétien de Troyes: Perceval ou Le conte du Graal
Stendhal: Le rouge et le noir
Michel de Montaigne: Essais
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