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Rechtswissenschaft (Erste juristische Prüfung)

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Mord oder Totschlag - Das Brett des Karneades (Strafrecht)

Sachverhalt

Ein Schiff geht unter. Die beiden Schiffbrüchigen A und O können sich auf eine im Meer treibende Planke retten. Diese Planke kann aber nur einen der beiden Schiffbrüchigen tragen. Daher drohen beide zu ertrinken. A stößt O deshalb von der Planke, um sich zu retten. A rettet sich auf diese Weise, O ertrinkt.

Welcher Tatbestand ist in diesem Fall einschlägig?

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

A hat überlebt. Wieder genesen muss er sich nunmehr vor Gericht für seine Tat verantworten. A möchte nicht ins Gefängnis und fragt sich daher, ob es sich bei dem Stoßen des O von der Planke überhaupt um eine Handlung im rechtlichen Sinne handelt.

Liegt seitens des A eine Handlung im rechtlichen Sinne vor?

Voraussetzung für das Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Handlung ist, dass überhaupt eine Handlung i. S. d. Strafrechts vorliegt. Welche Anforderungen an den strafrechtlichen Handlungsbegriff zu stellen sind, ist umstritten. Nach der älteren naturalistisch-kausalen Handlungslehre ist eine Handlung jedes vom menschlichen Willen getragene Verhalten, dass eine Veränderung in der Außenwelt verursacht. Die finale Handlungslehre hingegen verlangt ein finales und nicht lediglich kausales Geschehen, d. h. ein bewusst vom Ziel her gelenktes Wirken. Die soziale Handlungslehre setzt eine soziale Relevanz des menschlichen Tuns oder Unterlassen voraus.

Die soziale Handlungslehre ist vorzugswürdig, denn die kausale Handlungslehre wird dem personalen und sozialen Bedeutungsgehalt menschlicher Betätigung nicht sachgerecht. Die finale Handlungslehre verkennt, dass der Mensch sich nicht bei jeder Betätigung zunächst das Ziel seines Verhaltens vorstellt, um es dann planmäßig anzusteuern.

Zusammenfassend kann Handlung i. S. d. Strafrechts als das vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare sozialerhebliche Verhalten beschrieben werden, wobei sozialerheblich jedes Verhalten, dass die Beziehungen des Einzelmenschen zu seiner Umwelt berührt und nach seinem erstrebten oder unerwünschten Folgen im sozialen Bereich Gegenstand einer wertbezogenen Beurteilung sein kann, ist.

Hierzu insgesamt: Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 3, Rn. 89 – 93.

Da A nun weiß, dass sein Verhalten eine strafrechtlich relevante Handlung darstellt, versucht er verzweifelt andere Möglichkeiten zu finden, um einer Bestrafung zu entgehen. Er möchte nunmehr wissen, ob seine Handlung nicht vielleicht durch Notstand gerechtfertigt oder entschuldigt war, was zur Folge hätte, dass er nicht bestraft würde.

Ist die Handlung des A durch einen Notstand gerechtfertigt oder entschuldigt?

Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut eine Tat begeht, um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden, handelt nicht rechtswidrig, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt. Dies gilt jedoch nur, soweit die Tat ein angemessenes Mittel ist, die Gefahr abzuwenden.

(1) Wer in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib oder Freiheit eine rechtswidrige Tat begeht, um die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abzuwenden, handelt ohne Schuld. Dies gilt nicht, soweit dem Täter nach den Umständen, namentlich weil er die Gefahr selbst verursacht hat oder weil er in einem besonderen Rechtsverhältnis stand, zugemutet werden konnte, die Gefahr hinzunehmen; jedoch kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden, wenn der Täter nicht mit Rücksicht auf ein besonderes Rechtsverhältnis die Gefahr hinzunehmen hatte.

(2) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig Umstände an, welche ihn nach Absatz 1 entschuldigen würden, so wird er nur dann bestraft, wenn er den Irrtum vermeiden konnte. Die Strafe ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.